Mountainbike Madeira2023-09-07T19:20:35+02:00

Mountainbike Madeira

Paradiesvögel, süsser Wein und scharfe Trails

Balearen, Kanaren, Azoren, Kapverden – in den letzten Jahren sind diese iberischen und atlantischen Inselgruppen immer populärer geworden unter Bikern, die dem Winter entfliehen und eine frühe Form aufbauen wollen. Noch ein Geheimtipp ist Madeira: Sportive Biker kommen da optimal auf ihre Rechnung.

Madeira Insel der Blumen…

Madeira ist als Insel der Blumen und Insel des Süssweins bekannt – aber auch als Insel des Wassers, der Levadas. Das sind Bewässerungskanäle in allen Höhenstufen; die ersten wurden schon im 15. Jahrhundert errichtet, die letzten erst noch in den Sechziger Jahren. Die Suonen in der Westschweiz und die Waale im Südtirol lassen grüssen. Heute sind sie immer noch über 2000 km lang; über 100 Levadas sollen noch funktionieren und landwirtschaftlich genutzt werden, die Hälfte davon auch touristisch – als Wanderwege. Die Levadas machen denn Madeira zu einer der attraktivsten Wanderinseln der Welt. Und wo man gut wandern kann, lässt sich in der Regel auch gut biken.
Eine erste Kostprobe dürfen wir schon am Ankunftstag auf der Levada da Serra do Faial erleben. Gepflegtes Einrollen durch den kontrastreichen madeirischen Wald; Farne wechseln mit mächtigen Pappeln und Eukalyptusbäumen. Auf dem breiten Kanalweg kann auch problemlos Wanderern ausgewichen werden. Tags darauf ist dann das Level gleich mehrere Stufen höher – sowohl von der Höhenlage wie von der Schwierigkeit: Wir fahren per Bus ins Gebirge und kommen schon bald nach dem Ausstieg ins Kraxeln, um der Levada do Serra zu folgen, welche das Wasser in mehreren Gefällsstufen und Tunnels vom wasserreichen Norden in den landwirtschaftlich intensiv genutzten fruchtbaren Süden (Vulkanböden) transportiert. Zum Glück sind wir nur zu Fuss unterwegs, denn schon so muss man sehr aufs Gleichgewicht achten – Local Guide Carlos wollte uns einfach mal demonstrieren, dass die Levadas nicht nur ein grossartiges Kulturgut der Insel, sondern über weite Strecken auch eine wasserbautechnische Meisterleistung darstellen, die etwa den überhängenden Wasserkänneln in den Walliser Alpen kaum nachstehen.

Levadas - die Wasserkanäle werden heute als Wanderwege & Trails genutzt
Levadas – die Wasserkanäle werden heute als Wanderwege & Trails genutzt

Alles etwas grösser – Dornen, Wellen…

Wie wir am Mittag die Hochebene Paul da Serra auf 1500 Metern erreichen, sind unsere Räder auch schon da: Fahrer Mauricio hat sie in seinem wendigen Truck hochgefugt. Hier oben wundern wir uns nicht mehr wie noch auf dem Flughafen, dass die Bikes in einem Minitruck mit Holzbrücke, wie man sie aus Asien oder Südamerika kennt, und nicht wie in Europa üblich mit einem anständigen Fahrradanhänger rumbugsiert werden; diese engen, kurvigen Strässchen wären anders gar nicht zu schaffen. Umso mehr wundern wir uns über die plötzlich bizarr karge Landschaft, die eher ans schottische Hochland erinnert – die paar Nebelfetzen könnten nicht besser passen. Gleichwohl haben wir Wetterglück: Dutzende von Windrädern lassen ahnen, welch zünftiges Rohreblasen hier oben wohl herrschen kann… Nach letzten Ausblicken über tief eingeschnittene Schluchten auf den offenen Atlantik hinunter heisst es Mut fassen – zuerst auf einem Hasentrail durch Ginsterbüsche mit noch nie gesehen langen Dornen, dann auf einer 10 km langen Gravel-Abfahrt. Beim vermeintlichen Dessert über die Küstenstrasse nach Porto Moniz lernen wir eine madeirische Gesetzmässigkeit kennen: Auf dieser Insel ist es nie flach, schon gar nicht nachmittags kurz vor Ziel… Zur Belohnung lockt aber ein herrliches Bad, zwar nicht direkt im viel zu gefährlichen Meer, sondern im Natural Pool, das in die Lavaklippen gebaut ist, und wo die riesigen Brecher der Brandung reinschwappen.

Madeira = Berge, Natur und spektakuläre Landschaften
Madeira = Berge, Natur und spektakuläre Landschaften

Viel Abwechslung auf vielerlei Trails

In den nächsten Tagen lernen wir es mehr und mehr zu schätzen, dass wir am Morgen nicht gleich in die Pedale treten müssen, sondern die 20-prozentigen Steigungen per Shuttlebus überwinden dürfen. Wir brauchen unsere Kondition und Konzentration auf den ambitiösen Strecken gewiss noch. Bis zu 500 Höhenmeter kommen sowieso zusammen; zu Buche schlagen hier aber mehr die „Tiefenmeter“ – bis zu 1800 Meter Downhill. Zur Abwechslung auch mal per Seilbahn, schliesslich finden sich auf Madeira einige der steilsten Gondolas der Welt…
Wir benützen zwar immer wieder mal eine Fire Road und einen Dirt Track (der auch mal eine Dust Road sein kann – eine neue Erfahrung, wie Sliden auf Sand statt Schnee…), dank unserem Tour Guide Thomas, einem wahren Navi-Freak, finden wir aber auch all diese unmarkierten Singletrails der lokalen Freerider, die sich auf rund 350 km erstrecken. Da lernen wir auch noch die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Namens Madeira kennen, Holz: Auch wenn durch Rodungen und Brände viele Wälder verschwunden sind – mindestens das Unterholz ist noch so dicht, dass wir öfters Mühe haben, die Spur nicht zu verlieren.
Dazu stossen wir jeden Tag auch wieder auf Levadas – für einen Chill Ride. Ach, von wegen: Wir werden täglich routinierter und flitzen allmählich so hurtig den Kanälen entlang, dass wir in einen richtigen Flow kommen. Wir lehnen uns aber auch gemütlich zurück, wenn eine Levada mitten durch Siedlungen und Vorgärten führt und wir geniessen den Blumenschmuck als ständige Wegbegleiter und die Möglichkeit, uns mit leckeren Früchten, welche am Kanalrand feilgeboten werden, zu stärken, insbesondere der kanarischen Banane. Das ist eben das grosse Plus unserer Reise mit Bike Adventure Tours: Während die örtlichen Freeride-Veranstalter die Biker hauptsächlich über ihre Trails führen und wieder hochshuttlen, lernen wir ganz viele Facetten des Bikens auf Madeira kennen.

Immer wieder wunderschöne Ausblicke übers Meer
Immer wieder wunderschöne Ausblicke übers Meer

Exotische Vegetation, bizarre Berge

Vielleicht am Faszinierendsten auf unseren Biketouren ist aber der rasante Wechsel der Vegetationszonen: Von der kargen Hochebene durch urzeitliche feuchte Lorbeerwälder, geschützt als Unesco Weltkulturerbe „Laurazeenwald“ (Dutzende übermannshohe Farnsorten erinnern fast an einen Regenwald), zu den „Wäldern unter den Wolken“ mit Pinien, Akazien und Zedern sowie einigen selten gewordenen Drachenbäumen, und noch tiefer unten zu den Blumengärten mit Bougainvileas, Hibiskus und Strelitzien, der bekannten Paradiesvogelblume, die zum Wappenschmuck Madeiras geworden ist. Und damit verbunden natürlich die entsprechenden Düfte: Intensiver Eukalyptus, zartes florales Parfum und hin und wieder leider auch mal beissender Geruch abgebrannten Waldes.

Blumenparadies Madeira

Letzter Tag dieser Tourenwoche – die Königsetappe

Wir werden auf den Pico do Arieiro auf 1818 m gefahren: Höchster fahrbarer Punkt und dritthöchster Berg der Insel. Was haben wir wieder für ein Wetterglück: Nach der abenteuerlichen Fahrt durch nebelverhangene Wälder stösst just kurz vor dem Ziel die Sonne durch – wow! Die Wolkenfetzen über den bizarren Felsformationen lassen einen wähnen, dass die vor Tausenden von Jahren erloschenen Vulkane immer noch am Brodeln seien. Noch einmal geniessen wir die atemberaubende Aussicht – nun als zusammenhängendes Rundumpanorama, nachdem wir an den Vortagen die Ausblicke schon sektorweise ausgekostet haben.
Ein letztes Mal Düfte aufsaugen, verborgene Singletrails entdecken, Ginsterdorne aus dem Plattfuss ziehen, mit dem Wasser um die Wette cruisen – und zur Feier des Tages einen Poncha heben. Madeira, Insel der Blumen, des Weins? Gewiss – aber auch Insel des Bikens!

Infos zur Reise

KLIMA: Auf Madeira schwanken die Temperaturen nur wenig, von 19° im Januar bis 25° im August; man kann also das ganze Jahr über biken, wobei täglich mit Regenschauern gerechnet werden muss.

VERANSTALTER: Wir sind mit Bike Adventure Tours gereist. Dieser Schweizer Veranstalter gilt als einer der erfahrensten Europas (seit über 30 Jahren im Markt). Die Touren finden normalerweise im Mai und Oktober statt.

TIPP: Eine Verlängerung lohnt sich alleine schon, um die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Funchal, die auf der Tour zu kurz kommen, zu entdecken: Markthalle, kunstvolle Azulejos (bemalte Kacheln) und Strassenreliefs, Korbschlittenfahrt (ein Weltunikum) und Botanischer Garten in Monte, Madeira-Kellereien.

BADEN: Weil die Insel vulkanischen Ursprungs ist, gibt es kaum flache und schon gar keine sandigen Strände; dazu muss man einen Ausflug auf die Nachbarsinsel Porto Santo machen.

KULINARIK: Immer richtig und lecker – ein Poncha. Der Zuckerrohrschnaps mit Zitronensaft und Honig gilt als Nationalgetränk und ist noch süffiger als ein Caipirinha… Für eine Insel heutzutage nicht mehr selbstverständlich – aber auf Madeiras gibt’s herrliche frische Fische. Und als Abwechslung eine Espetada – ein Ochsenspiess, der auf einem hohen Ständer serviert wird.

Reisebericht-Autor: Reisejournalist Peter Hummel

Infos zum Reisebericht

Geschrieben von: Peter Hummel

Reisejahr: 2016

Infos zur Reise

Bildbeschreibung

Madeira – Auf flowigen Trails über die Blumeninsel

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