Himalaya Spiti und Lahaul2023-09-08T12:42:10+02:00
  • Mountainbike Trail

Himalaya Spiti und Lahaul

Mountainbike Tour am Fuss des Himalaya

Reisebericht: Bike-Pionierreise Spiti und Lahaul

Die Bikereise in die indische Himalaya-Region Himachal Pradesh, durch die ehemaligen kleinen Königreiche Spiti, Kinnaur und Lahaul, bietet sowohl landschaftliche wie auch kulturelle Höhepunkte. Traditionelle Dörfer und Klöster mit einzigartigen Kulturdenkmälern, eingebettet in die grandiosen Hochgebirgslandschaften des Himalaya, erinnern an das gesuchte Shangri-La. Dass das Abenteuer nicht zu kurz kommt, das durften wir auf der Pioniertour erfahren.

Delhi, eintauchen in eine andere Welt

Delhi lässt einem keine Zeit, um sich langsam an ein anderes Land, eine andere Kultur zu gewöhnen. Gerade hat unsere dreizehnköpfige Gruppe noch in aller Ruhe im Flugzeug gefrühstückt und schon tauchen wir bei feuchtwarmen 35 Grad in eine ganz andere Welt ein. Die fast 20 Millionen-Stadt scheint aus allen Nähten zu platzen und doch funktioniert irgendwie alles. Die ersten Schweisstropfen rinnen, ob vom Klima oder vom Fahrstil der Autofahrer; es könnte beides sein. Unser Bus teilt die Strasse mit Rikschafahrern, heiligen Kühen, Motorrädern, Velofahrern und anderen Autos. Ein flexibler Fahrstil ist in Indien gefragt, gute Nerven und auch ruhig Blut.

Von der Gangesebene schlängelt sich die Strasse dann langsam hoch ins Vorgebirge des Himalaya. Rund 350 km sind es von Delhi bis nach Shimla mit dem Auto. Dass für diese Strecke andere Massstäbe bezüglich der Fahrzeit angesetzt werden müssen als bei uns zu hause, das wird uns allen schnell klar. Doch gerade die Andersartigkeit in fremden Ländern, andere Dorfbilder, andere Mentalitäten, Kulturen und Werte, andere Landschaften und so auch andere Strassenzustände faszinieren.

Abgelegene Dörfer
Abgelegene Dörfer

Shimla, ein Hauch von „British Empire“

Etwas müde von den vielen Eindrücken erreichen wir die Hauptstadt des Bundesstaates Himachal Pradesh. Shimla befindet sich direkt an der alten Karawanenstrecke, der Hindustan-Tibet-Road, die sich in vielen Windungen durch die grünen Berge vorbei an tiefen Schluchten und hoch gelegenen Bergdörfern nach Tibet schlängelt. Nachdem wir unsere Bikes zusammengesetzt haben, geniessen wir einen Spaziergang durch die „Mall“, der alten Prachtstrasse mit typisch englischen Gebäuden. Was Monsunzeit in Indien heisst, bekommen wir in Shimla zu spüren. Es giesst für ein paar Stunden wie aus Eimern. Da uns der Monsun die nächsten Tage noch begleiten kann, kaufen wir alle vorsichtshalber grosse Regenschirme in der bunten Einkaufsstrasse nahe dem Hotel. Am Abend treffen wir unsere Begleitmannschaft und stossen mit einem lokalen Pfirsichwein auf ein gutes Gelingen der Mountainbike Reise an.

Wo Shiva auf Buddha trifft

Die ersten Tage der Biketour führen uns durch das ehemalige Königreich Kinnaur. Im Gegensatz zum buddhistisch geprägten Spiti, treffen in der Region Kinnaur Hinduismus und Buddhismus aufeinander. Daraus ist eine einzigartige Mischung entstanden. Unterwegs erleben wir in einem kleinen Dorf ein Fest zu Ehren der lokalen Dorfgottheit, die in Form einer silbernen Maske im Dorftempel residiert und zu besonderen Gelegenheiten auf einer Sänfte durch den Ort getragen wird. Die Kinnauri sind sehr freundliche Menschen. Früher betrieben sie Handel mit Tibet, doch als die Grenzen nach dem Einmarsch der Chinesen in Tibet geschlossen wurden, ging dieser Wirtschaftszweig für sie zu Ende. Für die nächsten Tage folgen wir dem Fluss Sutlej, der seinen Ursprung am Fuss des heiligen Berges Kailash in Westtibet hat. Nach Rekong Peo, dem Distrikthauptort von Kinnaur sollte man, laut Reiseführer, den Monsun hinter sich haben. Dann wird der eher wolkige Himmel durch blauen Himmel ersetzt: „hundert percent sure“, meint unser indischer Guide JK.

Das letzte Dorf vom Kinnaurtal ist Nako, es erinnert an ein Dorf im Tibet und liegt bereits auf 3800 m. Jetzt ist der Wechsel zum tibetischen Buddhismus klar zu erkennen. Gebetsfahnen begleiten uns auf dem gemütlichen Dorfspaziergang. Nicht nur beim Schlendern, auch auf der Bikefahrt hinauf nach Nako geniessen wir die Ruhe. Wir geben dem Körper Zeit, um sich an die Höhe zu gewöhnen.

Gebetsfahnen
Gebetsfahnen

Dass sowohl der Reiseführer als auch unser indischer Guide J.K, nicht immer recht haben, merken wir in den nächsten Tagen. Den Monsun haben wir alles andere als hinter uns gelassen. In der Nacht hat es in dieser sonst so trockenen Gegend geregnet und die kleinen Bäche sind zu Flüssen angeschwollen; so lockern sich auch die Steine in den steilen Wänden neben der Strasse. Die Einfahrt ins Spitital erleben wir bei Regen-Schauern im Bus. Immer wieder staunen wir, wie ruhig unser Busfahrer schwierige Passagen meistert. Sicher hilft auch sein lautes Gebet zu seinen Schutzgottheiten, bevor er jeweils aufs Gaspedal tritt. Dass auch eine Busfahrt, nicht nur ein Biketag viel Energie brauchen kann merken wir, als alle beim Abendessen in Tabo kräftig zugreifen.

Spiti, an der Grenze zu Tibet

Da bereits die Anreise sehr abenteuerlich und beschwerlich ist, bleibt Spiti eher ein weisser Fleck auf der Touristenkarte. Die Region ist erst seit Mitte der 90-iger Jahre ausländischen Besuchern zugänglich. In Spiti wird der tibetische Buddhismus gelebt. Da Spiti nicht zu Tibet gehört, wurde die Gegend auch bei der Kulturrevolution von den Chinesen in Tibet verschont. Einen kleinen Einblick in die Grossartigkeit der Kunst des tibetischen Buddhismus erhalten wir im Kloster Tabo. Lama Decheng führt uns durch die Tempelanlage. Früher war er Mönch in diesem Kloster, bis er sich verliebte und aus dem Kloster austrat. Erstaunt schauen wir uns an. Austritte aus dem Kloster gibt es also auch hier. Lama Decheng ist seinem Glauben jedoch treu geblieben und er erzählt uns in gutem Englisch die Geschichte von Spiti und dem nahegelegenen ehemaligen Königreich Guge in Westtibet. Wir verbringen einen gemütlichen Abend bei Stromausfall in seinem Guesthouse in Tabo und freuen uns auf die anstehende Bikeetappe nach Kaza. Ein Schweizer, der einige Monate in Spiti lebte, gab mir einen guten Tipp für eine Bikevariante nach Kaza, etwas abseits der Hauptstrasse (obwohl uns der Zustand der Strasse und die Frequenz von ein paar Autos pro Tag nicht an eine Hauptstrasse erinnern).

Kaza, der Hauptort von Shimla

Nach der steilen Strasse hinauf zum Dankhar Kloster bietet sich auf dem kleinen Panoramaweg abseits der Hauptstrasse eine einmalige Aussicht auf das Spitital. Das kleine Dorf Lalun liegt wie eine weisse Perle inmitten der grünen Gerstenfelder. Am Abend erreichen wir mit unvergesslichen Eindrücken den Hauptort von Shimla, wo wir in einem Guesthouse übernachten. Sowohl wir als auch die Räder haben eine Wäsche nötig, damit wir für den geplanten Seitentalausflug nach Kibber wieder fit sind.

Einheimische Küche
Einheimische Küche

Das Kibbertal ist wirklich einen Ausflug wert. Auf der Strasse nach Kibber fahren wir am Kye Kloster vorbei, das wie ein Adlernest über dem Dorf Kye trohnt. Dann erreichen wir Kibber auf 4000m. Das kleine Dorf mit vielen bunten Gebetsfahnen und einem Kloster auf einem Hügel ist Ausgangspunkt für ein Trekking zum Tsomoririsee. Was für ein Kontrast zu der kargen Landschaft rundherum. Auf der Suche nach einem idealen Picknickplatz werden wir spontan in eine lokale Stube eingeladen. Wir staunen immer wieder über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Leute. Dolma, die Frau unseres Gastgebers, offeriert uns Yakkäse und wir ihr ein Nussstengeli. Genau so andächtig wie wir am Yakkäse knappern, knappert sie am Nussstengeli. Ob es wohl an ihren nur noch wenigen Zähnen lag oder ob Geschmäcker einfach verschieden sind, finden wir nicht ganz heraus. Auf jeden Fall war für uns dieses Mittagessen, nebst dem schönen Dorf, ein besonderes Highlight. Nach einem Erinnerungsfoto geht es auf rasanter Fahrt mit den Mountainbikes wieder zurück nach Kaza. Gemütlich schlendern wir durch die kleinen Marktstrassen und in der „German Bakery“ erfahren wir von anderen Reisenden ihre abenteuerliche Geschichte ihrer Jeepfahrt vom Kunzum La und dem Rohtang, den Pässen, die nun auf unserem Programm bis nach Manali stehen.

Wunderschöne Landschaft
Wunderschöne Landschaft

Die Herausforderung am Kunzum La 4480 m und Rohtang La 3900 m

Die Königsetappe bietet uns königliches Wetter. Wieder einmal wird uns bewusst, welch schönes Fortbewegungsmittel das Bike doch ist. Obwohl wir in einer Gruppe reisen, kann jeder anhalten wann er will und schon fast meditativ im eigenen Tempo die herrliche Landschaft geniessen. Es gibt nur den einen Weg über den Kunzum La Pass und keine Abzweigungen. Mit Aussicht auf die 7000- er geht es schon fast im Höhenrausch in etlichen Windungen auf den rund 4500 m hohen Kunzum La. Dass es aber nicht immer ein Rausch ist, auf einen hohen Pass zu fahren, sondern auch ein Kampf sein kann, erfahren einige Teilnehmer der Gruppe. Kann einen doch ein Durchfall körperlich so schwächen, dass nur noch die Variante, in den Begleitjeep einzusteigen übrig bleibt. Dass einem eine tolle Gruppe, sowie eine starke Psyche Kraft geben können, erfahren auch ein paar Teilnehmer.

Am Abend verwöhnen uns einmal mehr unser Oberkoch Gamal und seine fleissigen Helfer mit einem herrlichen Essen. Nach einem feinen Schluck aus unserer Zeltbar scheinen die Sterne noch etwas näher. Müde aber glücklich fallen wir in die Schlafsäcke.

Am Morgen scheint die Sonne. Die Kulisse im Chantratal überwältigt uns. Gletscherbedeckte 7000- er. Da der Weg jedoch sehr ruppig ist, manchmal schon mehr Bachbett als Strasse, können die Blicke beim Fahren nicht allzu oft auf die Bergspitzen wandern.

Mit den Bikes im Schlamm

Da es in der Nacht stark geregnet hat, wird die Nacht im Zelt am Fuss des Rohtangpasses zu einer feuchten Angelegenheit. Als wir am Morgen losfahren, ruft uns ein entgegenkommender Tourist im Jeep zu: “…on the other side of the Rohtangpass it is very muddy!“. Die Herausforderung am Rohtangpass war nicht dessen Höhe, sondern eher das Biken im Schlamm und das geschickte Durchfahren zwischen sich stauenden Lastwagen. Die Inder nehmen es mehr oder weniger gelassen. Wir auch, schließlich erreichen wir ja bald Manali, unser Ziel der elf Etappen mit dem Bike.

Die Freude ist dementsprechend gross, als wir im Garten des Hotels mit einem feinen Drink auf die wunderbaren Tage im indischen Himalaya anstossen. Besonderen Dank gehört dem einheimischen Begleitteam. Mit unserem Guide JK, den Fahrern und der ganzen Crew feiern wir zusammen ein schönes Abschlussfest, bevor es dann mit dem Flieger von Kullu zurück nach Delhi geht.

Dass diese Bikereise ein unvergessliches Erlebnis für alle wurde, ist sicher dem erfahrenen lokalen Begleitteam zu verdanken, aber auch der Gruppe selbst, die mit ihrem tollen Teamgeist einiges beigetragen hat, dass die Pioniertour eine gelungene Reise geworden ist.

Reisebericht-Autorin: Bea Fischli, Reiseleiterin Himalaya

Infos zum Reisebericht

Geschrieben von: Reiseleiterin Bea Fischli

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Bildbeschreibung

Himalaya, Spiti & Lahaul – Unbekanntes Juwel am Fusse des Himalaya

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